Meldung vom 20.12.2007 

Fragen zu Garantie und Gewährleistung

Autobesitzer sind verunsichert: Ein aktuelles Urteil des Bundegerichtshofes (BGH) erlaubt Herstellern, ihre Garantieversprechungen mit der Bedingung zu verknüpfen, dass der Käufer den Wagen regelmäßig in einer markengebundenen Werkstatt inspizieren lässt.

Weil diese Vorgabe nicht erfüllt wurde, ging einem Mercedes-Besitzer die 30-Jahre-Garantie gegen Durchrosten verloren. Vom ACE Auto Club Europa wurde der Richterspruch heftig kritisiert. Der Internetdienst ACE-Online sprach darüber am Freitag in Stuttgart mit dem Verbraucheranwalt des Clubs, Volker Lempp.

Wie ist das Urteil aus Sicht des Verbraucherrechts zu bewerten?
Lempp: Der BGH hat mit seinem Urteil leider eher Verwirrung ausgelöst, als zur Aufklärung beizutragen, denn manche Schlussfolgerung aus dem Urteil geht mit Blick auf die sonstige Verbraucherrechtsprechung in die falsche Richtung. Ärgerlich ist, dass das Gericht alle in den Garantieklauseln versteckten "Schlupflöcher" jetzt sperrangelweit weit geöffnet hat. Ein Hersteller kann sie nun im "Kleingedruckten" unterbringen wie und wo er will. Ein sachlicher Zusammenhang der Obliegenheitsverletzung -Missachtung der Inspektionsauflage- mit der Garantieleistung wird nicht gefordert. Das halte ich für einen gravierenden Fehler, der zu Lasten der Konsumenten geht.

Gerät die Herstellergarantie so zur Zwangsehe mit der Vertragswerkstatt?
Lempp: Ich persönlich rate von einer derartigen Bindung ab. Sie kommt teuer zu stehen und lässt einen unbefriedigt zurück. Aber letztlich muss jeder Autokäufer darüber für sich selbst entscheiden. Vom Hersteller versprochene Zusatzgarantien sind aus meiner Sicht jedenfalls kein zwingender Grund, das eigene Auto in einer teuren Vertragswerkstatt warten zu lassen. Qualifizierte freie Kfz-Werkstätten sind wegen des Preisvorteils langfristig oft die bessere Wahl, auch wenn man dadurch den Anspruch auf freiwillige Garantien des Herstellers verlieren sollte.

Das ist doch riskant?
Lempp: Langsam. Ob die versprochenen Zusatzgarantien überhaupt etwas nützen, ist in den meisten Fällen doch eher fraglich. Womöglich müssen Zusatzgarantien ja nie in Anspruch genommen werden, weil moderne Autos normalerweise durchaus 30 heute Jahre ohne Durchrosten aushalten. Der bekannte BGH-Fall eines durchgerosteten Mercedes bildet wohl eine Ausnahme. So oder so gilt: Der Autobesitzer muss die ihm auferlegten Garantiebedingungen penibel einhalten und er muss dies für den Fall der Fälle im Detail auch nachweisen können. Da wird es erfahrungsgemäß kompliziert. Schon wenn die Vertragswerkstatt den richtigen Stempel nicht an die richtige Stelle setzt, kann die mit den jährlichen Inspektionen teuer erkaufte Garantie flöten gehen.

Also keine Chance auf Garantieleistung?
Lempp: Pro forma schon. Aber selbst wenn unstrittig eine Herstellergarantie vorliegt, trägt der Kunde im Garantiefall immer noch die Beweislast. Er muss - gegebenenfalls mit Hilfe eines persönlich finanzierten Gutachtens- den oft schwierigen Nachweis erbringen, dass tatsächlich ein Garantiemangel vorliegt. Anders gesagt: Er muss zweifelsfrei und letztlich gerichtsverwertbar belegen, dass der reklamierte Mangel tatsächlich von der Garantie erfasst und abgedeckt wird.

Unter solchen Bedingungen bleiben Verbraucherrechte doch auf der Strecke?
Lempp: Nein. Denn es gibt zum Glück noch die Gewährleistung in Form der so genannten Sachmängelhaftung. Dafür muss der Händler gerade stehen. Und im Gegensatz zu freiwilligen Zusatzgarantien, deren Bedingungen die Autohersteller selbst bestimmen können, sind die Gewährleistungsansprüche der Kunden bei einem Neuwagenkauf weitgehend gesetzlich festgeschrieben.

Und was tut sich für Verbraucher beim herkömmlichen Garantierecht?
Lempp: Seit 2002 darf eine Neuwagengarantie nach EU-Recht etwa bei Wartung und Inspektion nicht vom Besuch einer Vertragswerkstatt abhängig gemacht werden.
Bereits im Oktober hatte der BGH ein Urteil zur Herstellergarantie gefällt. Seinerzeit ging es aber nicht um ein freiwillig übernommenes Leistungsversprechen des Herstellers, sondern um eine von Händlern angebotene kostenpflichtige Gebrauchtwagengarantie. In diesen Fällen hatte der BGH einen Passus für unwirksam erklärt, demzufolge der Kunde die vorgegebenen kostenpflichtigen Wartungsintervalle genau einzuhalten als Voraussetzung dafür, dass die Reparaturgarantie erhalten bleibt.

Worin besteht der Unterschied zwischen Gewährleistung und Garantie?
Lempp: Der Gewährleistungsanspruch gilt grundsätzlich für zwei Jahre. Ansprechpartner für den Kunden ist immer der Händler, bei dem gekauft wurde. Bei Mängeln hat man das Recht auf kostenlose Reparatur. Kann der Fehler dabei nicht behoben werden, darf der Händler noch einmal versuchen nachzubessern. Falls auch das ohne Erfolg bleibt, kann der Kunde vom Vertrag zurücktreten. Die Herstellergarantie dagegen ist nicht gesetzlich geregelt sondern freiwillig. Sie bezieht sich normalerweise auch nur auf bestimmte Funktionsteile des Autos. Die zeitliche Bandbreite solcher Garantien ist groß, sie reicht von zwei bis dreißig Jahren.

Den Richterspruch vor Augen - wie lautet Ihr Fazit?
Lempp: Nach dem aktuellen Urteil lohnen sich herkömmliche Herstellergarantien nicht mehr. Das Gericht wollte ja auch gar nicht wissen, ob der Rostschaden durch Inspektionen überhaupt hätte verhindert werden können. Es ist aus unserer Sicht auch nicht schlüssig, dass eine Garantie gegen Durchrostung den Besuch einer Markenwerkstatt zum Zwecke der Kundenbindung voraussetzen soll. Damit verliert eine solche Garantie doch ihren charakteristischen Vorteil. Denn sie muss über den Kaufpreis des Fahrzeugs hinaus in Form ständiger Werkstattinspektionen vom Konsumenten noch zusätzlich teuer finanziert werden.