So sollen Geldbußen oder Verwarnungsgelder bei geringfügigen Verkehrsvergehen möglicherweise gar nicht erhöht werden oder aber geringer ausfallen als ursprünglich geplant, berichtete der ACE Auto Club Europa am Samstag in Stuttgart.
Die Verkehrsminister des Bundes und der Länder wollen sich den Informationen zufolge bis Mitte nächster Woche auf eine neue gemeinsame Linie verständigen. Im Vorfeld hatten Verkehrsrechtsexperten immer wieder Kritik daran geübt, dass es selbst im so genannten Bagatellbereich zu massiven Strafverschärfungen kommen soll. Der jetzt in der Abstimmung befindliche Katalog zur Strafminderung enthält laut ACE rund 50 Einzeltatbestände. Zu ihnen gehörten beispielsweise auch Pkw-Geschwindigkeitsüberschreitungen bis zu 20 Kilometer pro Stunde (km/h). Im innerörtlichen Verkehr sollte das Bußgeld dafür ursprünglich von derzeit maximal 35 Euro auf 55 Euro angehoben werden. Wer beim Einscheren den Sicherheitsabstand nicht einhält, sollte eine Strafe in Höhe von 40 Euro zahlen, jetzt bleibt es möglicherweise bei dem Regelsatz von 25 Euro.
Der ACE bekräftigte seine Unterstützung dafür, die Bußgelder für Raser und Drängler sowie für Fahrer unter Alkohol- und Drogeneinfluss massiv zu erhöhen, verlangte aber zugleich, bei eher geringfügigen Vergehen auf eine Anhebung der Geldstrafen zu verzichten. "Sie leisten keinen spürbaren Beitrag, um die Verkehrssicherheit zu verbessern", sagte ACE-Chefjurist Volker Lempp. Ähnlich äußerten sich zuletzt auch mehrere Bundesländer und der Deutsche Anwaltverein. Der Deutsche Verkehrsgerichtstag, dem auch Richter und Staatsanwälte angehören, hatte schon Anfang vergangenen Jahres Bedenken gegen eine "durchgängige Erhöhung der Bußgeldsätze" erhoben und sich dafür ausgesprochen, bei leichten Verkehrsverstößen Verfahren unter bestimmten Voraussetzungen einzustellen.
Keine Zweckbindung der Bußgeldeinnahmen für Verkehrssicherheit
Nach Angaben des ACE überlegen Bund und Länder jetzt immerhin auch, auf eine strengere Bestrafung etwa aus Anlass einer fehlenden Fahrradklingel oder einer Schlussleuchte am Fahrrad zu verzichten (ursprünglich geplant: 15 statt bisher 10 Euro). Auch eine Überschreitung der Frist für die Gebrauchsfähigkeit von Erste-Hilfe-Material soll kein höheres Verwarnungsgeld nach sich ziehen.
Vom ACE abgelehnt werden neu erhobene Forderungen nach einer Verdoppelung der Strafe von 10 auf 20 Euro, beispielsweise wenn ein Fahrtrichtungsanzeiger (Blinker) beim Einparken nicht betätigt wird. Derartige Ordnungswidrigkeiten blieben schon in der heutigen Polizeipraxis nahezu ungeahndet. Heftige Kritik übte der ACE an den Finanzministern der Länder, die eine von Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD), wiederholt versprochene Zweckbindung der Bußgeldeinnahmen zugunsten von Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit strikt abgelehnt hätten.
Kriminologe: Bessere Abschreckung durch höhere Kontrolldichte
In der Debatte über die Ahndung von Verkehrsvergehen gibt es unterdessen neue Vorbehalte gegen eine Verschärfung. Härtere Sanktionen bringen keine dauerhaften Erfolge, wenn nicht gleichzeitig intensiver kontrolliert wird.
Zu diesem Fazit kommt etwa der Tübinger Kriminologe Prof. Dr. Helmut Kury in einem Gespräch mit dem Online-Dienst des ACE. Kury, der als Experte bei Fragen zum Abschreckungseffekt durch Strafandrohung gilt, betonte, allein die Schwere der zu erwartenden Strafe habe kaum eine Auswirkung auf regelwidriges Verhalten.
"Strafverschärfungen verlieren ihre Wirkung weitgehend, wenn sie nicht mit einer Erhöhung der Kontrollintensität verbunden werden. Die Gefahr, erwischt zu werden, müsse vom Autofahrer als hoch angesehen werden, fügte Kury hinzu. Er sprach sich deshalb für ein dichteres Kontrollnetz aus. "Der Autofahrer muss nicht nur wissen, dass er im Falle, dass er erwischt wird, schmerzlich bestraft wird, sondern, dass die Gefahr, erwischt zu werden, hoch ist, betonte der Experte.
Von besonderer Bedeutung sei zudem, sich auf die "Problemautofahrer und Wiederholungstäter zu konzentrieren. Diese stellten zwar nur eine Minorität dar, würden aber durch Selbstüberschätzung eine Gefahr auch für andere Verkehrsteilnehmer darstellen. Neben einer vorübergehenden Entziehung der Fahrerlaubnis plädiert Kury für Nachschulungsprogramme. Bei Fahrern, die die Verkehrsregeln immer wieder schwer missachteten, müsse geprüft werden, worin die Ursache läge. Ihnen sollte zur Auflage gemacht werden, die hinter dem inakzeptablen Verkehrsverhalten liegende Problematik etwa durch Nachschulungen zu bearbeiten.
"Rasen darf nicht mehr als Kavaliersdelikt angesehen werden, betonte Kury. Er beklagte, dass 2006 wegen unangepasster Geschwindigkeit 64.742 Unfälle mit Personenschäden passiert sind. Fast jeder fünfte Unfall ist nach den Angaben von Kury durch zu schnelles Fahren verursacht worden, allein auf deutschen Autobahnen starben im vergangenen Jahr 331 Menschen bei "Geschwindigkeitsunfällen.
An diese Erkenntnis knüpft auch der ACE an und befürwortet daher eine Strafverschärfung für schwere Verkehrsvergehen, die eine Hauptursache für Unfälle darstellen.
Das vollständige Interview mit Prof. Dr. Helmut Kury finden Sie unter
www.ace-online.de/kury