Seitdem hat der französische Automobilhersteller immer wieder mit allradgetriebenen Modellen auf sich aufmerksam gemacht. Das Spektrum reicht von Expeditionsfahrzeugen und Lieferwagen bis hin zu Mittelklasselimousinen und lupenreinen Rennboliden.
Wettlauf durch die Wüste
Am Beginn der Pkw-Allradhistorie steht der Wunsch von Unternehmensgründer Louis Renault, mit eigenen Fahrzeugen den planmäßigen Linienverkehr durch die Sahara zu etablieren. Dabei liefert er sich ein spannendes Rennen mit der französischen Konkurrenz von Citroën. Das passende Fahrzeug für das ehrgeizige Pionierunterfangen steht schon bereit: ein hochbeiniger Dreiachser auf Basis des Renault Pkw 10 CV. Mit Zwillingsreifen rundum und zwei angetriebenen Hinterachsen ist die Spezialanfertigung wie maßgeschneidert für die Aufgabe. Um auf Wüstensand besser voranzukommen, stehen die Reifen der Antriebsräder nur unter geringem Druck.
Vier Antriebsräder schlagen Raupen
Die durchdachte Konstruktion des 10 CV erfüllt alle Erwartungen. Dank ihrer vergleichsweise unkomplizierten Antriebstechnik ist sie weit weniger störanfällig als die komplizierten Halbkettenfahrzeuge der Konkurrenz. Außerdem kommen die Renault Dreiachser auf freier Piste schneller voran. Die Folge: Renault macht dank des Vierradantriebs das Rennen. 1926 nimmt die von Louis Renault und dem Luftfahrtindustriellen Gaston Gradis gegründete „Compagnie Générale Transsaharienne” den Liniendienst durch die Sahara auf.
Neustart mit Allrad: die Colorale „Tous Terrains”
Nach dem Zweiten Weltkrieg präsentiert Renault 1950 mit der vielseitigen „Colorale” eine Aufsehen erregende Neukonstruktion, von der ein Jahr später auch eine geländetaugliche Version mit Allradantrieb erscheint.
Die Colorale ist in insgesamt zehn Karosserieausführungen erhältlich, unter anderem als Transporter, Taxi, Pritschenwagen und Kombi. Die Colorale „Tous Terrains” genannte 4x4-Version ist an der um über 30 Zentimeter erhöhten Bodenfreiheit zu erkennen, welche das Fahrzeug in die Lage versetzt, selbst gröbste Fahrbahnunebenheiten zu überwinden.
Konkurrenzlos preiswert: der Renault 4 „Sinpar 4x4”
Ab 1964 bietet Renault die 4x4-Version des Renault 4 an, die in Zusammenarbeit mit dem französischen Spezialisten Sinpar (Société INdustrielle de Production et d'Adaptation Rhodanienne) entwickelt wurde und lange in Produktion bleibt. Trotz der bescheidenen Motorleistung von 25 kW/34 PS aus 850 Kubikzentimetern stellt die Fachzeitschrift „auto, motor und sport” im Jahr 1975 dem „Sinpar 4x4” ein exzellentes Zeugnis aus: „Die Grenzen seines Fortkommens liegen nicht wesentlich unter denen renommierter Spezial-Geländewagen.” Beim Preis lässt der Sinpar 4x4 der damals noch sehr spärlich besetzten Konkurrenz keine Chance: Mit 10.590 D-Mark plus 200 D-Mark Vorfracht ist er das preisgünstigste Fahrzeug mit Allradantrieb auf dem deutschen Markt.
Renault 18 Combi 4x4: Allradtechnik für den Alltag
Im Jahr 1983 steigt der französische Hersteller mit dem Renault 18 Combi 4x4 ab Werk ins Allradgeschäft ein. Das Unternehmen zählt damit zu den europäischen Pionieren beim Einsatz der 4x4-Technik in Großserienfahrzeugen. Der überschaubare Allradmarkt wird Anfang der 1980er-Jahre noch von einer Handvoll knorriger Geländemobile dominiert.
Wie seine Vorgänger verfügt der Renault 18 Combi über einen zuschaltbaren Allradantrieb. Wird es unterwegs unversehens glatt, lässt sich bei jeder Geschwindigkeit zusätzlich zum Frontantrieb der Hinterradantrieb aktivieren und anschließend ebenso problemlos wieder deaktivieren. Eine Klauenkupplung stellt die Verbindung zwischen Vorder- und Hinterachswelle her.
Renault 21: erstmals mit Visco-Kupplung
Vom Nachfolger Renault 21 erscheint 1987 eine Allradversion. Besonders als 119 kW/162 PS starker Renault 21 Turbo Allrad erreicht das Modell einen hohen Bekanntheitsgrad. Erstmals verteilt eine direkt vor dem hinteren Differenzial angebrachte Visco-Kupplung bei starker Drehzahldifferenz automatisch 35 Prozent des Drehmoments an die Hinterräder. Vorteile des Systems: Es spart Platz und Gewicht, bietet viel Komfort und arbeitet verbrauchsgünstiger als ein permanenter Allradantrieb, denn auf trockenem Asphalt fahren die 4x4-Varianten des Renault 21 mit Frontantrieb.
Das System kommt ab 1988 ebenfalls beim Espace Allrad zum Einsatz. Eine Besonderheit der Großraumlimousine ist die aus leichtem Verbundmaterial hergestellte Kardanwelle.
Auch beim 123 kW/167 PS starken Oberklassemodell Safrane V6i von 1992 und beim 193 kW/263 PS starken Prestigemodell Safrane Baccara Biturbo von 1993 zweigt eine Visco-Kupplung Drehmoment an die Hinterräder ab, wenn beide Achsen unterschiedlich schnell rotieren. Mit 250 km/h Höchstgeschwindigkeit ist die Allradluxuslimousine bis heute der schnellste Serien-Renault.
Scénic RX4: Kompaktvan mit Vierradantrieb
Als völlig eigenständiges Fahrzeug bringt Renault im Sommer 2000 den Scénic RX4heraus. Das Modell fasst erstmals die Fahrdynamik und Wirtschaftlichkeit einer Mittelklasselimousine sowie den Komfort und das Raumangebot eines Vans in einem kompakten Allradfahrzeug zusammen. Beim Scénic RX4 kommen eine Visco-Kupplung und eine elektronische Traktionskontrolle zum Einsatz. Letztere wirkt auf die Vorderräder und steigert den „Grip” des Scénic RX4 speziell bei Fahrzuständen mit unterschiedlichem Reifenkraftschluss zwischen linken und rechten Antriebsrädern.
Kangoo 4x4 und Kangoo Rapid 4x4: kompakte Multitalente
Mit dem Kangoo 4x4 bringt Renault im Herbst 2001 noch ein weiteres familientaugliches Freizeitfahrzeug mit Allradantrieb auf den Markt. Parallel dazu führt Renault den Nutzfahrzeug-Zwilling Kangoo Rapid 4x4 ein. Er ist der erste Transporter in der Klasse bis zwei Tonnen Gesamtgewicht mit Allradtechnik.
Beide Modelle verfügen über einen permanenten Allradantrieb mit adaptiver Hydraulikkupplung, den der Renault Allianzpartner Nissan beisteuert. Drehen die Vorderräder auf losem Untergrund durch, dann verteilt diese das Antriebsmoment automatisch bedarfsgerecht zwischen Vorder- und Hinterrädern.
Neuer Koleos mit variablem „All Mode 4x4 i”-Allradantrieb
Mit dem Koleos bringt Renault schließlich im August 2008 sein erstes SUV auf den Markt. Neben Versionen mit Frontantrieb bietet der Hersteller auch Varianten mit dem „All Mode 4x4 i”-System an. Der Fahrer des Koleos 4x4 hat die Wahl zwischen drei Programmen zur Kraftübertragung: „AUTO”, „LOCK” und „2WD”. Im AUTO-Modus fährt das Renault SUV unter normalen Fahrbahnbedingungen kraftstoffsparend mit Frontantrieb. Erst wenn die Traktion nachlässt, etwa auf verschneiten Straßen oder matschigem Untergrund, leitet eine Mehrscheibenkupplung bis zu 50 Prozent des verfügbaren Drehmoments vollautomatisch an die Hinterachse.
Bei Bedarf, etwa im Gelände, kann der Fahrer manuell in den starren Allradmodus wechseln (LOCK-Modus). Dann fährt der Koleos bis zu einer Geschwindigkeit von 40 km/h mit einer festen Kraftverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse im Verhältnis von 50:50. Der Koleos-Fahrer kann den 4x4-Betrieb auch komplett abstellen und nur mit angetriebenen Vorderrädern fahren (2WD-Modus).
Spektakuläre Konzeptfahrzeuge mit 4x4-Technik
Der Allradantrieb spielt auch in zahlreichen Renault Konzeptfahrzeugen eine wichtige Rolle. Etwa beim „Racoon” von 1993. Die Studie für ein Gelände- und Amphibienfahrzeug mit Allradantrieb verfügt über drei Differentiale und ein neues, von Renault patentiertes Getriebe.
Die Studie Koléos aus dem Jahr 2000 wechselt nach Bedarf automatisch zwischen Front-, Heck- und Allradantrieb. Ist zügiges Reisetempo gefragt, treibt ein Benzinmotor allein die Vorderräder an. Im Stadtverkehr sorgt ein Elektromotor, der auf die Hinterräder wirkt, für emissionsfreien Antrieb. Auf glattem Untergrund und im Gelände aktiviert der Bordrechner beide Motoren und macht den Koléos so zu einem Allradauto.
Erfolge auf Rallyepiste und Rundstrecke
Auch im Motorsport sorgen Renault Fahrzeuge immer wieder für Aufsehen. Beispiel Rallye Paris–Dakar: Dank der überlegenen Traktion und der sprichwörtlichen Zuverlässigkeit erringt 1979 ein Allrad-Renault 4 bei dem Wüstenspektakel den zweiten Platz im Gesamtklassement. Am Steuer sitzen die Brüder Bernard und Claude Marreau, die bei der Wüsten-Rallye auch in den Folgejahren mit 4x4-Modellen von Renault für Furore sorgen.
1982 gehen Bernard und Claude Marreau mit einem Renault 20 an den Start. Mit der Serie hat der Wagen freilich nur die äußere Hülle und Teile der Inneneinrichtung gemein. Chassis und Motor stammen vom Renault 18 Turbo. Im Unterschied zur Serie verfügt der hochbeinige Wüstenrenner außerdem über permanenten Allradantrieb. Mit der Kraftübertragung auf alle vier Räder, Turbopower und mit ihrer Erfahrung erringen die „Wüstenfüchse” endlich den Gesamtsieg bei der Rallye Paris-Dakar.
Auch auf der Rundstrecke feiert Renault Siege: 1988 gewinnt eine 430 PS starke Rennversion des Renault 21 Turbo Allrad souverän die französische „Superproduction”-Tourenwagenserie. Bei den spektakulären Eisrennen der „Trophée Andros” driften ebenfalls 4x4-Boliden auf Renault Basis über die spiegelglatten Parcours. Je nach Klasse verfügen sie über Zwei- oder Vierradlenkung.