Baden-Württemberg hat jetzt sein sechstes Welterbe: Die Höhlen der ältesten Eiszeitkunst wurden von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. In den sechs Höhlen auf der Schwäbischen Alb lebten vor etwa 35 bis 40.000 Jahren Menschen, die dort einzigartige Zeugnisse menschlichen Kunstschaffens hinterließen. Nach jahrzehntelanger Forschung konnten Archäologen rund 50 kleine Skulpturen aus Mammutelfenbein und acht Flöten aus den Höhlen vorlegen. Die Höhlen befinden sich im Lonetal und im Achtal und sind eine archäologische Sensation. An keinem anderen Ort der Welt wurden bislang ältere Kunstobjekte gefunden.
Der auch für Tourismus zuständige Minister der Justiz und für Europa Guido Wolf sagte: „Als Tourismusminister gratuliere ich der gesamten Region zu dieser Auszeichnung. Die Höhlen der ältesten Eiszeitkunst sind einzigartige Zeugnisse der Menschheitsgeschichte. Mit der Ernennung der Eiszeithöhlen zum Weltkulturerbe wird das schon jetzt überaus attraktive Angebot an archäologischen Sehenswürdigkeiten im Land weiter aufgewertet. Ich habe einige der Höhlen und eindrucksvollen Skulpturen bereits besucht und kann nur sagen: Ein Besuch dort lohnt sich immer.“
Älteste Kunstwerke der Menschheit
Die Skulpturen sind meist zwischen vier und neun Zentimetern groß und bilden die damalige Tierwelt ab. Wisent, Mammut, Pferd, Höhlenlöwe und Höhlenbär, aber auch kleine Tiere wie Wasservogel, Fisch oder Igel sind als Schnitzarbeiten mit beeindruckender Präzision und Detailtreue exzellent erhalten. Menschliche Darstellungen wie die weltbekannte „Venus vom Hohle Fels“ oder fantasievolle Mischwesen aus Mensch und Tier gehören ebenfalls zum eiszeitlichen Ensemble der Kunstwerke. Der „Löwenmensch“ aus dem Felsmassiv Hohlenstein misst sogar ganze 31 Zentimeter Höhe. Doch nicht nur das: Mit dem Fund von Flöten aus Knochen und Elfenbein ist zudem der Beweis erbracht, dass die Menschen auf der Schwäbischen Alb bereits während der Altsteinzeit musizierten.
Fundorte im Ach- und Lonetal
Es sind nicht die Kunstwerke selbst, sondern ihre archäologischen Fundorte auf der Schwäbischen Alb, die von nun an auf der Welterbeliste der UNESCO stehen. Von den sechs ausgezeichneten Höhlen am besten zugänglich und erlebbar ist die Vogelherdhöhle bei Niederstotzingen auf der Südseite des Lonetals. Rund um die 50 Meter lange Höhle bietet der Archäopark Vogelherd einen informativen Erlebnisparcours mit spannenden Themenplätzen und Aktionen zur steinzeitlichen Lebenswelt der Jäger und Sammler. Das moderne Besucherzentrum widmet sich multimedial der geologischen und prähistorischen Geschichte der Region und dem altsteinzeitlichen Menschen zwischen Höhle, Jagd und dem Überleben unter freiem Himmel. Ein Höhepunkt der Ausstellung ist die berühmte Figur eines Mammuts. Die nur 3,7 cm große Skulptur dürfte vor etwa 40.000 Jahren in der Vogelherdhöhle geschnitzt worden sein. Im Lonetal gehören außerdem die Bocksteinhöhle und der Hohlenstein zu den ausgezeichneten Fundplätzen. Die Bocksteinhöhle ist zwar frei zugänglich, wurde jedoch im 19. Jahrhundert teilweise gesprengt, was den Höhlencharakter maßgeblich veränderte. Der dritte Höhlenort im Lonetal befindet sich am südlichen Rand, nordwestlich von Asselfingen, im Hohlenstein. Hier liegen Stadel-Höhle und Bärenhöhle direkt nebeneinander. Beide sind allerdings nicht frei zugänglich.
Südwestlich von Blaubeuren erstreckt sich das Tal der Ach mit drei weiteren Höhlen der ältesten Eiszeitkunst. Am südlichen Rand des Bruckfelsens liegt das Geißenklösterle. Die Höhle kann nur an bestimmten Aktionstagen, zum Beispiel am Tag der offenen Höhle besichtigt werden (10. September 2017). Ansonsten ist sie vergittert, allerdings wegen ihrer geringen Tiefe auch von außen gut einsehbar. Der Hohle Fels nordöstlich von Schelklingen kann vom 1. Mai bis 31. Oktober sonntagnachmittags besichtigt werden. Das Museum Schelklingen organisiert Höhlenführungen und veranstaltet regelmäßig Höhlenkonzerte und weitere Veranstaltungen. Auf der nordwestlichen Seite der Ach befindet sich die Sirgensteinhöhle. Sie kann frei besichtigt werden. Hinter dem Höhlenportal liegt ein kurzer Gang, der sich im hinteren Teil zu einer Kuppelhöhle mit kleinen Öffnungen zum Tageslicht weitet.
Eiszeitkunst im Museum bestaunen
Die Kunstwerke der Eiszeit lassen sich in verschiedenen historischen Museen in Baden-Württemberg bewundern. Das Urgeschichtliche Museum Blaubeuren als zentrales Schwerpunktmuseum für die Altsteinzeit des Landes Baden-Württemberg beherbergt neben anderen Original-Funden die „Venus vom Hohle Fels“ und drei der eiszeitlichen Flöten. An verschiedenen Stationen können die Besucherinnen und Besucher dort nicht nur die Objekte bestaunen, sondern auch selbst das Arbeiten mit steinzeitlichen Werkzeugen ausprobieren.
Im Museum der Universität Tübingen bilden die Funde der Eiszeitkunst einen besonderen Schwerpunkt. Kein Wunder: Es sind die Archäologen der hiesigen Universität, die seit Jahrzehnten die Ausgrabungen in den Höhlen der Schwäbischen Alb leiten und Jahr für Jahr auf immer neue Funde stoßen. Im Tübinger Museum kann unter anderem das 40.000 Jahre alte Vogelherdpferd aus Mammutelfenbein bewundert werden. Die Vogelherdhöhle selbst ist Teil des Archäoparks Niederstotzingen. Auch die steinzeitliche Dauerausstellung des Landesmuseums Württemberg in Stuttgart beherbergt viele Artefakte aus der Zeit der Jäger und Sammler. Die Kunstwerke aus der Eiszeit zählen definitiv zu den spektakulärsten: Ein Löwenköpfchen aus der Vogelherdhöhle ist ebenso zu sehen wie eine Mammut-Figur und eine Knochenflöte aus dem Geißenklösterle.
Rund um den Löwenmenschen gibt es außerdem im Museum Ulm eine eigene Dauerausstellung.
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