Meldung vom 08.01.2007 

Friesische Bräuche

"Liiwer düüdj as slååw - Lieber tot als Sklave": Auf den gelb-rot-blauen Flaggen, die vor vielen Häusern zwischen Eider und dänischer Grenze flattern kann man's lesen: Die Friesen sind ein unabhängiges Volk. Das wichtigste Identifikationsmerkmal der offiziell anerkannten nationalen Minderheit in der Bundesrepublik Deutschland ist ihre Sprache.

"Uk dön jong lidj wat heer san snaake altermal fering; hoker nian fering snaaket as ,out'." erzählte ein älterer Herr aus Alkersum auf Föhr einem NDR-Reporter - "Auch die jungen Leute, die hier sind, sprechen friesisch; wer kein Friesisch spricht, ist out." Ganze zehn Dialekte werden bis heute in Nordfriesland gepflegt! Außenstehende werden die Unterschiede allerdings kaum erkennen - sie staunen über eine Mundart, die trotz ihrer Verwandtschaft mit dem Englischen, Niederdeutschen und Dänischen nur schwer zu verstehen ist.

Friesische Kultur erleben Gäste beim Biikebrennen, dem großen Volksfest zum Ende des Winters am 21. Februar. Im Sommer geben viele Dorf- und Heimatfeste Gelegenheit, die Trachten der Friesinnen mit den kunstvollen Hauben und dem wertvollen Silberschmuck zu bewundern. Ebenfalls typisch friesisch sind das Rummelpott-Laufen am Silvester-Abend, das Bosseln im Winter und das Ringreiten im Sommer. Zum Spaß der Urlauber (und der Einheimischen)

Hulken, Kenknern, Rummelpott laufen...

"Seegnt nei juar!" rufen verkleidete Jugendliche auf Amrum jedem Spaziergänger zu, der am Silvesterabend in der Dämmerung auf der Insel unterwegs ist. Diese "Hulken" ziehen von Haus zu Haus um den Bewohnern ein "Gesegnetes Neues Jahr" zu wünschen. Wer sie trotz ihrer Kostüme und Masken erkennt, schenkt Ihnen Süßes oder spendiert ein wärmendes Getränk. Auf der Nachbarinsel Föhr trifft man am letzten Tag des alten Jahres "Kenkner", die selbst gedichtete Lieder vortragen und sich ebenfalls gern mit einem Schnaps belohnen lassen. Die Kinder gehen Rummelpottlaufen. Sie basteln sich ebenfalls fantasievolle Verkleidungen und singen "Rummel, rummel, rooken, schenk mi'n Appelkoken!" oder den Klassiker "Fru, mak de Dör op, de Rummelpott will in. Da kommt en Schip von Holland, dat hätt keen gute Wind..."

Dieser typisch friesische Brauch wird auch auf Sylt und Pellworm, den Halligen und auf dem Festland gepflegt. Ähnlich wie an Halloween schenkt man den Besuchern entweder Süßigkeiten - oder muss damit rechnen, dass einem böse Streiche widerfahren... Der "Rummelpott" dient dabei als Sammeltopf für Bonbons und andere Gaben. Früher war das Gefäß mit einer Schweinsblase überzogen, in der ein Schilfrohr steckte. Rieb man an dem Rohr, ertönte ein lautes, "rummelndes" Geräusch.

Biikebrennen

Jährlich am 21. Februar treffen sich die Friesen zu einem der wichtigsten Volksfeste des Nordens: dem "Biikebrennen". Man sagt, mit dem großen Lagerfeuer seien früher die Seefahrer verabschiedet worden, deren Saison am Petritag (22. Februar) begann. Gleichzeitig werden zum Abschluss des Winters böse Geister vertrieben. Noch heute feiern Jung und Alt an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste beim "Biiken" das Ende der kalten und dunklen Jahreszeit. Nach den traditionellen Fackelmärschen und einem Plausch beim Punsch an einem der Biike-Feuer geht man in die gemütlichen Stuben, um am großen Grünkohlessen mit Kassler und süßen Kartoffeln teilzunehmen.

Ringreiten

Wenn im Frühjahr auf nordfriesischen Koppeln "Galgen" errichtet werden, besteht kein Grund zur Besorgnis. Die Ringreiter-Saison beginnt! Für die Turniere, die ab April in nahezu jedem Ort stattfinden, wird in der Mitte des "Galgens" ein Metallring an einer Schnur befestigt. Reiter müssen sich diesem Rind im Galopp nähern und ihn mit einer Lanze aufspießen. Wer als erster drei Ringe gestochen hat, ist der "König".

Eine Dithmarscher Besonderheit ist das Rolandreiten. Dabei wird der Roland, eine lebensgroße farbenfroh bemalte Holzfigur mit ausgestreckten Armen auf einem dicken Pfahl drehbar befestigt. Hier gilt es, im Galopp eine der Hände des Rolands mit einer Lanze zu treffen und die Figur zum Rotieren zu bringen.

Klootstockspringen

Was für ein Spaß für alle Zuschauer, wenn wiedermal ein Klootstockspringer an seinem Stab abrutscht und "in den Bach geht"! Immerhin: Er darf gratis auf die Blamage trinken. Die eigenartige Wettkampfdisziplin, bei der man mit einer 3-5 Meter langen Holzstange über einen Graben oder Teich springt, stammt aus Dithmarschen. Dort benötigte man einst einen Klootstock, um querfeldein voran zu kommen. In der Schlacht von Hemmingstedt am 17. Februar 1500 besiegten die Dithmarscher dank dieses Könnens sogar die zahlenmäßig weit überlegenen Truppen des dänischen Königs Johann I. und seines Bruders Herzog Friedrich von Holstein. Sie hatten alle Siele geöffnet, so dass die Angreifer nur noch auf einer auf einem Damm gelegenen Straße vorankamen, und waren selbst mit ihren Sprungstangen beweglich genug, um das Heer zu schlagen.

Boßeln

An der Westküste trifft man im Winter Menschen, die Kugeln werfend und Punsch trinkend am Deich entlang oder über die abgeernteten Felder ziehen. Sie spielen weder Boccia noch Boule, sie boßeln. Wie früher verkürzt man sich mit diesem Sport die lange Winterzeit. Inzwischen boßelt man auch gern zusammen mit Urlaubsgästen im Sommer. Meterweit werfen die besten Boßler, sie nehmen kräftig Anlauf, drehen sich - und dann braucht der "Stocklegger" scharfe Augen, um zu sehen, wo die Kugel aufkommt. Diesen Ort markiert er als Ausgangspunkt für den nächsten Spieler. Wer den Gruppen "Lüch op" wünscht, darf sich vielleicht auch mal versuchen.


Bildquelle; Fotograf: Nordsee-Tourismus-Service GmbH; Frenkel